Sarkozy gibt Fehler zu Ruanda und Frankreich nehmen nach langer Krise wieder Beziehungen auf.

Ernst, mit senkrechten Falten zwischen den Augenbrauen, treten Paul Kagame und Nicolas Sarkozy in Kigali vor die Presse. Es ist ein delikater Termin, belastet mit historischer Bürde und hohen Erwartungen. Doch dann haben die beiden Staatschefs nur Gutes zu verkünden. „Ruanda und Frankreich hatten eine schwierige Vergangenheit, aber wir sind heute hier, um eine neue Partnerschaft zu begründen“, sagt Kagame. In Ruanda habe die Versöhnung bereits stattgefunden, ergänzt Sarkozy mit Blick auf den Völkermord von 1994, bei dem rund eine Million Menschen ums Leben kamen. Nun werde sie auch zwischen Frankreich und Ruanda vollzogen.

Nicolas Sarkozy (2008) ©By א (Aleph) (Own work) [CC-BY-SA-2.5], via Wikimedia Commons
Nicolas Sarkozy (2008) ©By א (Aleph) (Own work) [CC-BY-SA-2.5], via Wikimedia Commons

Sarkozy ist der erste französische Staatschef, der das kleine, aber strategisch in der afrikanischen Region der Großen Seen wichtige Land seit langer Zeit besucht. Der letzte vor ihm war François Mitterrand 1984. Schon allein deshalb ist der Besuch bedeutsam. Auch wenn sich der Präsident auf seiner am Mittwoch in Gabun begonnenen Mini-Afrikatour nur wenige Stunden Zeit nimmt.

Das Ruandakapitel gehört zu den unrühmlichsten in Frankreichs Afrikapolitik. Kagames Regierung hatte Paris im Zusammenhang mit dem Völkermord lange eine Mittäterschaft vorgeworfen. Frankreich habe die Hutu-Milizen, die damals die Bevölkerungsminderheit der Tutsis abschlachteten, im Rahmen der militärischen Unterstützung des Landes mit Waffen versorgt und ausgebildet. Die fast ausschließlich aus Hutus bestehende Regierungsarmee Forces Armées Rwandaises (FAR) kämpfte Anfang der 90er Jahre gegen die aus Uganda einmarschierte Rwandan Patriotic Front (RPF), die sich aus bereits Jahrzehnte zuvor vor Verfolgung geflüchteten Exiltutsis formiert hatte. Nach dem Sieg der RPF, der den Bürgerkrieg und den Genozid beendete, soll Frankreich den verantwortlichen Hutu-Generälen zur Flucht verholfen haben.

Die französische Justiz beschuldigte ihrerseits Mitglieder der RPF unter der Führung Kagames, am Abschuss des Flugzeugs des damaligen Staatschefs Juvenal Habyarimana beteiligt gewesen zu sein. Das Attentat vom 6. April 1994, bei dem alle Insassen starben, markierte den Beginn des Genozids, der von langer Hand geplant worden war. Paris stellte 2006 internationale Haftbefehle gegen neun Vertraute Kagames aus – woraufhin Kigali den französischen Botschafter auswies.

Sarkozy gesteht „schwere Einschätzungsfehler“ und „politische Fehler“ der Vergangenheit ein, wie auch schon sein Außenminister Bernard Kouchner, als er dem diplomatischen Neuanfang bei einem Besuch in Kigali im Januar den Weg ebnete. Der französische Staatschef zollt der dunklen Geschichte Tribut, indem er an der Gedenkstätte des Völkermords in Kigali einen Kranz ablegt. Die internationale Gemeinschaft, darunter auch Frankreich, müsse sich fragen, wer die Ereignisse von 1994 hätte verhindern können, sagt er auf der Pressekonferenz.

Die Entschuldigung, die viele Ruander von Frankreich erwarten, ist das nicht. Doch Kagame scheint nicht darauf zu bestehen. Wie Sarkozy schaut er lieber nach vorne als zurück. Die Fehler der Vergangenheit seien anerkannt worden, nun liege der Hauptfokus auf der Zukunft. Der ruandische Ansatz bestehe darin, Frankreich nicht als Teil des Problems, sondern als Teil der Lösung anzusehen. Als wichtige Felder künftiger Kooperation nennt der Präsident Handel und Investitionen, Gesundheit und Bildung sowie den kulturellen Austausch.

2006 wurden alle französischen Einrichtungen in Ruanda geschlossen. Im Laufe diese Jahres sollen sie ihre Arbeit wieder aufnehmen: die französische Schule, das Kulturzentrum im Herzen der Hauptstadt ebenso wie Radio France Internationale. Der neue französische Botschafter in Kigali, Laurent Contini, überreichte Kagame im Januar sein Beglaubigungsschreiben, sein ruandischer Counterpart, Jaques Kabale, wird in Kürze in der am Montag in Paris wiedereröffneten Vertretung erwartet.

Der neuen politischen, wirtschaftlichen und kulturellen Zusammenarbeit beider Länder scheint nichts mehr im Wege zu stehen. Doch juristisch sind noch mehrere Rechnungen offen. Zum einen sind die Haftbefehle gegen Kagames Vertraute bis auf einen weiterhin in Kraft. Zum anderen leben diverse von der ruandischen Justiz gesuchte mutmaßliche Völkermörder in Frankreich. Kigali fordert eine Strafverfolgung und Auslieferung der ins Ausland geflüchteten Täter von 1994. Ermittlungen nehmen tatsächlich Fahrt auf. Gegen eine Auslieferung sträuben sich aber nicht nur Frankreich, sondern auch andere westliche Länder. Dafür reicht das Vertrauen in die Justiz des sonst wegen seiner positiven Entwicklung viel gelobten Landes noch nicht aus.