• 01.01.2011

Nordthailand: Chiang Dao erleben

Eine kaum entdeckte Perle im Norden von Thailand

Noi setzt auf dem schmalen Bergpfad langsam und behutsam einen Fuß vor den anderen. Es ist steil und der Boden rutschig vom Regen. Dicker Nebel hängt noch in den dicht bewaldeten Berggipfeln hinter Chiang Dao, und die tropisch-üppige Vegetation, durch die sich der Weg schlängelt, glänzt nassgrün. Noi passt gut auf, denn der Elefantenbulle trägt außer seinen eigenen rund fünf Tonnen Körpergewicht noch drei Menschen.

Der Elefantenführer, oder Mahout, sitzt auf seinem Kopf und gibt ab und zu Kommandos. In einem Gestell auf dem Rücken thronen die Touristen – einigermaßen bequem, jedoch ist Abstützen und Ausbalancieren gefragt, wenn es steil bergab geht. Auch muss man sich gelegentlich unter einem großen Spinnennetz wegducken oder einer dicken langhaarigen Raupe ausweichen, aus der wahrscheinlich bald einer der wunderschönen großen Schmetterlinge wird, die überall umherflattern.

Noi ist 35 Jahre alt. Als er jung war, hat er noch Holz gerückt. Seit 1989 ist das Abholzen der Wälder verboten, nicht nur hier, rund 70 Kilometer nördlich von Chiang Mai, sondern in ganz Thailand. Deshalb tragen die einstigen Arbeitselefanten heute Touristen spazieren oder führen ihnen in Shows ihr Können vor.

Unterwegs mit den Palong

Noi hat keine Kunststücke gelernt und wird auch nicht vor Dutzenden staunenden Augen und summenden Kameras gebadet. Er dient nur Touristen als Reittier, und das scheint ihm nicht schwer zu fallen. Geht es zwischen Mais- und Reisfeldern leicht hin geradeaus, pflückt Noi sich hier und da einen Rüssel voll Bambus am Wegesrand, und nach einer Stunde darf er wieder auf die Wiese oberhalb des Dorfes, in dem der Ritt endet.

Die Mahouts auf dieser Tour sind Palong, eine der mehr als ein Dutzend ethnischen Minderheiten in Nordthailand, die auch als Bergvölker bezeichnet werden. Die Geschäfte in dem bescheidenen Dorf, in dem die Stelzenhäuser aus Bambus, Holz und anderen Naturmaterialien gebaut sind und die Kinder barfuß durch den Schlamm rennen, gehen Hand in Hand: Die Männer bringen mit den Elefanten die Besucher ins Dorf, und die Frauen verkaufen ihnen ihre bunten Trachten, gewebten Stoffe, Mützen mit allerlei Pailletten und Glöckchen, Taschen, Tonpfeifen, Armreifen und vieles mehr. Die jungen mit strahlendem Lächeln, die alten mit vom Kauen der Betelnüsse schwarzen Zähnen.

Landschaft zu fuss geniessen

Im Gegensatz zu Elefantenfüßen bleiben Menschenfüße im aufgeweichten Lehmboden leicht stecken – oder die Schuhe daran. So gestaltet sich der Rückweg vom Palongdorf zur befestigten Straße etwas mühsam und langwieriger als gedacht. Die Landschaft lässt sich zu Fuß jedoch besonders gut genießen, und viele Besucher erkunden die Gegend von Chiang Dao in mehrtägigen Trekkingtouren mit Übernachtungen in Dörfern der Lisu, Lahu, Karen oder Hmong. Man kann auch den 2225 Meter hohen Doi Luang Chiang Dao besteigen, den dritthöchsten Berg Thailands.

Eine ruhige, gemütlich Variante, die Natur zu genießen, ist eine Fahrt auf dem Ping, der auch durch Chiang Mai fließt, oder einem anderen der zahlreichen Flussläufe. Als fahrbarer Untersatz dienen einfache Flöße, die aus mehreren Meter langen, dicken Bambusrohren bestehen, die mit in Streifen geschnittenen Autoreifen zusammengebunden sind. Vorne steht der Flößer und hält das Floß, das mit der Strömung schwimmt, mit einem Staken vom Ufer fern und in der richtigen Position. Durch die Ritzen und über die Füße schwappt das gelbbraune Flusswasser, eine Bank ermöglicht aber trockenes Sitzen.

Jede Biegung gibt einen neuen Blick frei, auf Hütten am Ufer, eine Flussgabelung, eine Hängebrücke. An einem Tempel trocknen orangefarbene Mönchsgewänder. Den Hintergrund für die Idylle bilden hoch aufragende Berge. Zu hören sind außer dem leisen Plätschern des Wassers nur Vögel, zwitschernd, singend, schreiend. Sie fliegen auf, wenn das Floß sich nähert. Aufreger der Fahrt sind zwei Mini-Wasserfälle. Sie sind keinen halben Meter hoch, doch das Floß muss sie hinunter -  was dank der elastischen Bauweise und des erfahrenen Flößers auch problemlos gelingt.

Abenteuer Höhlenforschen

Außer für seine Landschaft ist Chiang Dao vor allem für seine Höhle bekannt, die sich unter dem Berg Doi Luang Chiang Dao erstreckt. Sie soll zwölf bis 14 Kilometer lang sein und besteht aus vielen Räumen, von denen aber nur fünf zugänglich sind. Die Höhle, um die sich viele Legenden ranken, ist schon seit mindestens tausend Jahren von religiöser Bedeutung, wovon der Shan-Chedi in der Nähe des Eingangs zeugt. Sie ist heute ein buddhistischer Tempel.

Am Anfang fällt noch etwas Tageslicht durch Spalte in der Decke, dann geht es richtig in den Berg hinein. Mehrere hundert Meter sind gut beleuchtet und begehbar. Man trifft auf Buddhastatuen mit Blumenkränzen, Kerzen und anderen Opfergaben davor, auf Felsformationen in Tierform und auf die eine oder andere Fledermaus. Um die Lampen herum wächst etwas Farn.

Um sich weiter in die Höhle vorzuwagen, ist ein Führer vonnöten, der mit einer Kerosinlampe vorangeht und – was auch für Besucher mit eigenen starken Taschenlampen wichtig ist – der den Weg kennt. Die Luft wird stickiger, und der Schein der Lampe holt nicht nur schöne Stalagmiten und Stalagtiten aus dem Dunkel hervor, sondern auch Spinnen, groß wie eine Kinderhand, flitzende Käfer und anderes Kriechtier. Fledermäuse drehen in Scharen ihre Runden. Die Höhle ist eindeutig bewohnt – nicht nur von Geistern.

Es wird eng

Der Führer deutet auf alle möglichen Formationen, wobei zum Teil nur mit großer Phantasie zu erkennen ist, was sie angeblich darstellen, und weist auf die seiner Meinung nach obligatorischen Fotomotive hin. Mit einem freundlichen Lächeln kriecht er durch Öffnungen voran, durch die ein dicker oder unbeweglicher Mensch kaum hindurch käme.

Am Ende ist es erleichternd, wieder ins Helle zu treten. Erst in den beleuchteten Teil der Höhle, dann in die Sonne, die jetzt auf den klaren Gebirgsbach fällt, der sich vor dem Höhleneingang zu einem kleinen See mit gierigen Karpfen und Welsen und einer Schildkröte staut. Für fünf Baht kann man eine Tüte Fischfutter kaufen, beobachten, welche der orangefarbenen, bläulichen oder grauen Tiere am schnellsten heran schwimmen und sich freuen, nicht das Schicksal des Einsiedlers in der Legende zu teilen. Der lebte tausend Jahre lang in der Höhle unter dem Doi Luang Chiang Dao.