Ein windiges Land ist Thailand nicht. Mäßig weht der Wind meist nur in den Bergen. Eine schwache Brise erfrischt die Küste, und auf den Ebenen der Reisfelder ist in der Regel nur ein leises Lüftchen zu spüren. Aber Thailand hat den Monsun, der monatelang konstanten Wind bringt. Und einen Trend nach oben: „Generell nimmt die Windgeschwindigkeit hier zu“, sagt Aaron Daniels, stellvertretender Leiter Geschäftsfeldentwicklung der thailändischen Firma Wind Energy Holding (WEH). Dem Klimawandel sei Dank.
Dieses Potenzial muss man nutzen. Thailand ist ein energiehungriges Land: Der Strombedarf ist im vergangenen Jahr um 8,5 Prozent gestiegen und wird sich Prognosen der Regierung zufolge bis 2030 nahezu verdoppeln. Das südostasiatische Land setzt daher auf den Ausbau aller Energieträger – mit besonderem Fokus auf den Erneuerbaren: Ein Viertel des Stroms soll 2030 regenerativ erzeugt werden. Schon jetzt ist Thailand regionaler Vorreiter in dem Bereich.
Südostasiens größte Windparks
Dazu trägt seit neuestem auch die Windkraft bei. Die Rotoren des ersten großen Parks namens „FKW“, betrieben von WEH, drehen sich seit November in der Provinz Nakhon Ratchasima im Nordosten Thailands. Im Februar ging der angrenzende Schwesterpark „KR2“ ans Netz. Mit einer Nennleistung von zusammen 207 Megawatt (MW) sind „FKW“ und „KR2“, die aus 90 Turbinen der Firma Siemens bestehen, mit Abstand die größten Windparks Südostasiens.
Als die Bangkoker Regierung im März 2012 ihren Entwicklungsplan für alternative Energien veröffentlichte, machte die Windkraft landesweit nur 7,28 Megawatt aus. Ende des Jahres waren es schon rund 250 MW, und bis 2021 sollen dem Entwicklungsplan zufolge 1200 MW durch Windkraft erzeugt werden. Sie kommt damit an die bereits stärker vertretene Solarkraft heran, die dann 1806,4 MW liefern soll. Wasserkraft steht im thailändischen Erneuerbaren-Mix an erster Stelle, gefolgt von Biomasse.
Den Löwenanteil des neuen Windmarkts reklamiert die 2009 gegründete WEH für sich. „Wir haben vier Projekte mit insgesamt einem Gigawatt in Planung“, sagt Daniels. Die ersten Erfahrungen in Nakhon Ratchasima seien gut. WEH verkauft den erzeugten Strom an den staatlichen Energieversorger EGAT, der ihn ins nationale Netz einspeist. Dafür gibt es in diesem Fall Subventionen von 8,8 Cent pro Kilowattstunde, zunächst einmal für zehn Jahre – aber die Firma ist optimistisch, dass das auch langfristig so bleiben wird.
„Der Tarif, den die Regierung eingeführt hat, zeigt ihr Bekenntnis zur Windenergie“, so Daniels, der ausgezeichnete Expansionsmöglichkeiten sieht. Laut dem von der Weltbank veröffentlichten „Wind Energy Resource Atlas of Southeast Asia“, der das Potenzial der Windkraft für Thailand, Laos, Kambodscha und Vietnam erfasst, bieten 761 Quadratkilometer der Fläche Thailands gute bis exzellente Windverhältnisse für große Anlagen.
Für kleine Anlagen, die weniger Wind benötigen, ist das Potenzial wesentlich größer. Sie eignen sich vor allem für den lokalen Verbrauch und sind besonders sinnvoll in abgelegenen Gegenden oder auf Inseln, die noch nicht ans Stromnetz angeschlossen sind. Diverse Kleinwindkrafträder ersetzen bereits die sonst üblichen Diesel-Generatoren.
Das Energieministerium hat schon vor fünf Jahren in einem Demonstrationsprojekt Mikrowindanlagen mit einer Nennleistung von je einem Kilowatt in 60 Dörfern im ganzen Land gefördert. Der Strom wird in einer Batterie gespeichert und vor allem für Beleuchtungszwecke verwendet. In einem neuen Projekt auf abgelegenen Inseln in Südthailand sollen 80 Turbinen von je 500 Watt installiert werden.
Südostasien im Aufwind
Doch Thailand ist nicht das einzige Land im boomenden Südostasien, das Windkraft verstärkt nutzen will. Bevor „FKW“ den Betrieb aufnahm, stand der größte Windpark der Region mit einer Kapazität von 33 Megawatt in Bangui Bay an der Nordspitze der philippinischen Hauptinsel Luzon. Das größte Potenzial in der von ihr untersuchten Region hat die Weltbank in Vietnam ermittelt: Eine 3444 Kilometer lange Küste, viele Berge und der Monsun sorgen für besonders gute Windverhältnisse. Der Studie zufolge könnten in dem Schwellenland, dessen Energiebedarf jährlich im zweistelligen Bereich wächst, 513 360 MW durch Windkraft erzeugt werden. Die Entwicklung steht noch am Anfang; Hanois Planung sieht 1000 MW bis 2020 und 6200 MW bis 2030 vor.
Selbst Myanmar, dessen Wirtschaft nach Jahrzehnten der Isolierung quasi bei null anfängt, Prognosen zufolge aber rasant wachsen wird, ist bereits auf den Wind-Zug aufgesprungen: Die thailändische Firma Gunkul Engineering baut drei Windparks mit einer Nennleistung von insgesamt einem Gigawatt und will im Laufe des Jahres einen Vertrag mit der Regierung im Nachbarland für zwei weitere Projekte unterzeichnen. Andere Entwicklungsländer wie Laos und Kambodscha werden irgendwann nachziehen.
China bleibt Nummer 1
Nachdem der Windenergiemarkt in den westlichen Industriestaaten annähernd gesättigt ist, bleibt Asien ein großer Wachstumsmarkt – angeführt von China, das mit seinen Ausbauraten und der bereits installierten Leistung weltweit die Nummer 1 ist (neue energie 3/2013). Der frische Wind, der gerade durch Thailands Energiebranche weht, könnte der Anfang eines Booms auch in Südostasien sein.