Eroberung einer männlichen Bastion Kampf der Nonnen in Thailand um Gleichberechtigung

In Thailand engagieren sich die Nonnen unter Anführung der Ehrw. Dhammananda Bhikkhuni in einem gewaltlosen Kampf für Gleichberechtigung und soziale Anerkennung. Unaufhaltsam wächst die Bewegung gegen die patriarchalischen Kräfte im Land.

Dhammananda Bhikkuni, Pionierin für Frauenrechte in Thailand ©Foto: Katja Dombrowski
Dhammananda Bhikkuni, Pionierin für Frauenrechte in Thailand ©Foto: Katja Dombrowski

Zuerst machen sich die Mütter oder andere Angehörige an der Haarpracht zu schaffen. Eine lange schwarze Strähne nach der anderen fällt zu Boden. Den Rest schneiden sie so kurz, wie mit der Schere möglich. Zum Schluss kommen die Rasierer: „Mae Chi“ – Laienfrauen in weißen Gewändern – beugen sich über die Köpfe der künftigen Nonnen und arbeiten sich behutsam von der Stirn zum Nacken vor, von Ohr zu Ohr, bis die Köpfe kahl sind. Als Letztes sind die Augenbrauen dran. Die Mae Chi tupfen Blutstropfen ab, wischen Seifenwasser aus den nassen Gesichtern – und hier und da auch Tränen.

„Das Haar ist die Schönheit der Frauen. Aber jetzt nehmen wir Abschied von der Schönheit“, sagt die Ehrwürdige Dhammananda, Äbtissin des Wat Songdhammakalyani. 23 Frauen werden in dem Kloster in Nakhon Pathom, etwa eine Stunde nordwestlich der thailändischen Hauptstadt Bangkok, vorübergehend zu Nonnen ordiniert. Die Rasur bildet den Anfang der Zeremonie, die Studentinnen und Hausfrauen, Professorinnen und Geschäftsfrauen zu Novizinnen macht, sogenannten Samaneris.

Die Frauen nehmen am jährlichen Sommerkurs im Wat Songdhammakalyani teil und tauchen für neun Tage ins Klosterleben ein. Mehrere Stunden täglich studieren sie die Lehren des Buddha. Danach gehen sie zurück zu ihren Familien, ihrer Arbeit, ihrem Alltag. Ihr Haar wird wieder wachsen. Einige von ihnen werden dem spirituellen Pfad weiter folgen, andere nicht.

Frauen rechtlich nicht anerkannt

Die vorübergehende Ordinierung hat in Thailand eine lange Tradition. Der König hat es getan, und die Söhne der Reisbauern tun es auch. Mitarbeiter im öffentlichen Dienst sowie großer Unternehmen bekommen dafür sogar bis zu drei Monate Urlaub. Eine Zeit lang ins Kloster zu gehen, wird als Teil der Bildung angesehen, als eine Möglichkeit, an sich selbst zu arbeiten, schlicht als sinnvolle Erfahrung. Allerdings nur für Männer. Für Frauen stellt sich die Situation ganz anders dar: Nonnen werden in Thailand, wo der Theravada-Buddhismus Staatsreligion ist, rechtlich nicht anerkannt. Auch genießen sie nicht den gleichen Respekt und sozialen Rang wie Mönche. Oft heißt es sogar, ordinierte Nonnen – im Gegensatz zu den Mae Chi, die in vielen Klöstern anzutreffen sind – gebe es in Thailand gar nicht.

Das Bild im Wat Songdhammakalyani beweist das Gegenteil: Rund 80 Nonnen nehmen an der Ordinierung teil. Sie segnen die Novizinnen und leiten sie durch die Zeremonie. Laut der Ehrwürdigen Dhammananda gibt es mehr als 30 voll ordinierte Nonnen, sogenannte Bhikkhunis, in verschiedenen Klöstern im ganzen Land. Wie sie selbst vor elf Jahren, wurden die Frauen in Sri Lanka ordiniert, wo ebenfalls der Theravada-Buddhismus vorherrscht, Nonnen jedoch anerkannt werden.

Pionierin der Bewegung: die Aktivistin Dhammananda

Vielleicht wollen die thailändischen Samaneris und Bhikkhunis nichts weiter, als den Dharma zu praktizieren. Gleichzeitig sind sie aber auch Teil einer Bewegung:  Buddhistinnen kämpfen seit Jahren für Gleichberechtigung und soziale Anerkennung. „Unser Ziel ist es, eine Frauen-Sangha aufzubauen“, sagt die Ehrwürdige Dhammananda, Pionierin der Bewegung. Die 68-jährige ehemalige Universitätsdozentin und Aktivistin mit dem weltlichen Namen Chatsumarn Kabilsingh war Thailands erste Theravada-Bhikkhuni. Ihre Mutter, die Ehrwürdige Ta Tao Fa Tzu alias Voramai Kabilsingh war die erste Bhikkhuni des Landes in der Mahayana-Tradition und baute Wat Songdhammakalyani 1960 auf.

Der Kampf der Nonnen um Gleichberechtigung geht unauffällig vonstatten, ohne medienwirksame Auftritte, ohne öffentliche Provokation. Die Frauen vertrauen darauf, dass ihnen die Gesellschaft mit der wachsenden Zahl und Sichtbarkeit ordinierter Nonnen immer mehr Platz einräumen muss. Den juristischen Kampf sieht die Ehrwürdige  Dhammananda nicht als Aufgabe der Nonnen an.

Stattdessen bemühen sich Abgeordnete und Nichtregierungsorganisationen um eine Gesetzesänderung. Die Senatorin Rabiebrat Pongpanit hat die Anerkennung von Nonnen bereits 2005 gefordert. Zurzeit läuft eine neue Kampagne mit der Unterstützung von Senatorinnen und Senatoren, Nonnen und Mönchen sowie Mitgliedern der Zivilgesellschaft.

Während eine Änderung der konservativen, patriarchalischen Gesetze lange dauern kann, wächst die Gemeinschaft der Samaneris und Bhikkhunis stetig. Für Februar 2014 ist die erste Vollordinierung von Nonnen innerhalb Thailands geplant. Dazu werden Mönche und Nonnen aus Sri Lanka anreisen. Im Jahr darauf wird die Ehrwürdige Dhammananda zwölf Jahre Bhikkhuni und damit selbst in der Lage sein, die Zeremonie zu leiten.

Thailands Nonnen sind überzeugt davon, dass sie nicht gegen die Gesetze verstoßen, sondern im Gegenteil tun, was Buddha für sie vorgesehen hat. Würdevoll und zufrieden verlassen die frisch ordinierten Samaneris, in ihre neuen safranfarbenen Roben gehüllt, den Tempel. Dann nehmen sie ihr erstes Almosen entgegen, reichlich dargebracht von Angehörigen und Freunden, Besuchern und überzeugten Buddhisten, die offensichtlich überhaupt nichts dagegen haben, dass Frauen diese männliche Bastion erobern.