Die Schergen kommen vor Gericht In Kambodscha wurde der ehemalige Staatschef des Roten-Khmer-Regimes verhaftet

In Kambodscha ist der ehemalige Staatschef der Roten Khmer, Khieu Samphan, in einem Krankenhaus festgenommen und zum Völkermordtribunal bei Phnom Penh gebracht worden. Er wurde wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit angeklagt. Heute erscheint dort zum ersten Mal ein Verantwortlicher des Regimes, das von 1975-1979 dauerte, vor Gericht.

Darauf haben Tausende Kambodschanerseitjahrzehnten gewartet: Erstmals muss heute einer der mutmaßlichen Hauptverantwortlichen für die Gräueltaten der Roten Khmer in öffentlicher Anhörung vor Gericht erscheinen. Eine Ahndung oder Aufklärung der Verbrechen hat fast 30 Jahre nach dem Ende der Schreckensherrschaft des Steinzeitkommunisten Pol Pot, die rund zwei Millionen Menschen das Leben gekostet hat, nicht stattgefunden. Doch das Völkermordtribunal, das gestern in spektakulärerWeise Ex-Staatschef Khieu Samphan festnehmen ließ, will hier für Abhilfe sorgen.

Im Sommer vergangenen Jahres nahm das Rote-Khmer-Tribunal seine Arbeit auf. Dem unter dem Namen Duch bekannten Leiter des berüchtigten Foltergefängnisses Tuol Sleng in Phnom Penh soll nun als Erstem der Prozess gemacht werden. Dem 65-jährigen Angeklagten werden schwere Menschenrechtsverletzungen zur Last gelegt. In Tuol Sleng sollen 16000 Männer, Frauen und Kinder gefoltert und dann auf den "Killing Fields" bei Phnom Penh ermordet worden sein.

Jürgen Assmann, der im Auftrag des deutschen Centrums für Internationale Migration und Entwicklung (CIM) die kambodschanische Chefanklägerin Chea Leang berät, erwartet einen "eher unspektakulären" Austausch juristischerArgumente. Allerdings handelt es sich um die erste öffentliche Verhandlung vor dem Rote-Khmer-Tribunal. Im Gerichtssaal sind mehrere hundert Plätze fürJournalisten und interessierte Bürger reserviert; die Anhörung wird live von Radio und Fernsehen übertragen. "Die Öffentlichkeit hat große Erwartungen", sagt Assmann.

Nun könnten die Kambodschaner das Gericht endlich in Aktion sehen - auch wenn die Ermittlungen noch in vollem Gange seien. Die Hauptverhandlung soll frühestens Anfang 2008 beginnen. Dass die vorgesehenen drei Jahre und das Budget von rund 56 Millionen Dollar (rund 38 Millionen Euro) für die Prozesse nicht ausreichen werden, steht allerdings bereits fest.

Die fünf bislang identifizierten Hauptverantwortlichen für die Verbrechen sind nunmehr in Haft. Bei den Angeklagten handelt es sich außer um Duch um den ehemaligen Chefideologen der Roten Khmer, Nuon Chea, sowie um das erst vor einer Woche festgenommene EhepaarIeng Sary, Ex-Außenminister, und Ieng Thirith, Ex-Sozialministerin. Allen dreien werden Verbrechen gegen die Menschlichkeit vorgeworfen, Ieng Sary außerdem Kriegsverbrechen. Die Anklagepunkte gegen den 76-jährigen Khieu Samphan, der nach einem Krankenhausaufenthalt festgenommen wurde, stehen noch nicht fest. Pol Pot selbst - als "Bruder Nummer eins" der unangefochtene Führer der Roten Khmer - starb bereits 1998.

Im In- und Ausland besteht die Hoffnung, dass das Tribunal nicht nur Wahrheitsfindung und Gerechtigkeit bringt, sondern auch zum Modell für die Entwicklung eines unabhängigen Justizsystems und einer rechtsstaatlichen Kultur in Kambodscha wird. Deutschland ist mit rund 2,8 Millionen Dollar (1,9 Millionen Euro) der drittgrößte Geldgeber für das Gericht. Darüberhinaus unterstützen sechs Berater des Deutschen Entwicklungsdienstes (DED) einheimische Organisationen, die vor Gericht für die Opfer des Regimes sprechen wollen.

Diese Beteiligung der Opfer hält der DED-Koordinator Andreas Selmeci für besonders wichtig. "Vielen von ihnen war es in den Jahrzehnten nach den Roten Khmer nahezu unmöglich, über die Ereignisse zu sprechen - selbst in der Familie", sagt der 44-Jährige.

Offiziell endete die 1975 begonnene Herrschaft der Steinzeitkommunisten zwar mit der Befreiung durch die Vietnamesen im Januar 1979. De facto beherrschten die Roten Khmer manche Gegenden des Landes aber noch bis Ende der 90er Jahre. Und auch heute noch leben ehemalige Peiniger Seite an Seite mit den Familien ihrer Opfer.