Österreichische UN-Richterin: "Prozessieren wir 20 Jahre, sind alle tot"

Claudia Fenz im STANDARD-Interview: Streit um die Prozessordnung hält das Tribunal gegen die Roten Khmer auf

Das Rote-Khmer-Tribunal ©ECCC
Das Rote-Khmer-Tribunal ©ECCC

STANDARD: Das Tribunal zur Aufarbeitung der Verbrechen der Roten Khmer scheint nicht recht anzulaufen. Wie uneinig sind kambodschanische und internationale Justizexperten?

Fenz: Das kambodschanische Recht, das primär zur Anwendung kommt, entspricht nicht in allen Teilen internationalen Standards und weist Lücken auf. Daher brauchen wir interne Regeln für den Prozess, eine „Strafprozessordnung“, die das gesamte Verfahren regelt. Die Klärung muss schnell erfolgen, sonst kommen wir in große Probleme, da das Mandat des Gerichtes auf drei Jahre beschränkt ist.

STANDARD: Auch mit der kambodschanischen Anwaltskammer gibt es Streit?

Fenz: Die Anwaltskammer hat sowohl Probleme mit der Idee eines von der UNO konzipierten und finanzierten Büros für die Unterstützung der Verteidigung als auch mit der Person des von der UNO als Leiter dieses Büros angestellten Rupert Skilbeck. Dieses Büro soll eine Verteidigung nach internationalen Standards sicher stellen und die finanziellen Mittel, die die UNO zur Verfügung stellt, verwalten. Die Anwaltskammer will aber die Kontrolle über die Liste jener Verteidiger, die beim Tribunal im Rahmen der Verfahrenshilfe arbeiten dürfen, selbst ausüben – es geht dabei um viel Geld.

STANDARD: Kann ein solches gemischtes Tribunal, in dem lokales und internationales Recht, nationale und internationale Richter zusammenkommen, überhaupt funktionieren?

Fenz: Es ist schwierig, keine Frage. Aber es kann funktionieren. Ein ganz vergleichbares Tribunal gibt es nicht. Aber Sierra Leone ist ähnlich, und auch im Kosovo und Osttimor finden die Verfahren innerhalb des lokalen Systems statt. Grundsätzlich entwickelt sich nationales Recht ständig weiter. Es finden überall, auch in Österreich, immer wieder Anpassungen des lokalen Rechts an internationale Standards statt.

STANDARD: In dem Verfahren sollen lediglich die Hauptverantwortlichen für die Verbrechen zur Verantwortung gezogen werden. Man geht von nicht mehr als einer Hand voll Angeklagter aus. Sehen Sie darin eine Schwachstelle?

Fenz: Das ist nun einmal der zwischen der UNO und der kambodschanischen Regierung vertraglich vereinbarte Rahmen, in dem wir arbeiten können. Grundsätzlich sollte es keine Straflosigkeit geben. Aber alle, die sich unter den Roten Khmer die Hände schmutzig gemacht haben, ins Tribunal einzubeziehen, ist unrealistisch. Man muss sich die Kosten anschauen und die Dauer eines solchen Verfahrens. Die Verdächtigen sind 70, 80 Jahre alt, die Zeugen ebenfalls. Wenn wir 20 Jahre prozessieren, sind alle tot.

STANDARD: Wann werden die Angeklagten feststehen, wann wird der Prozess beginnen?

Fenz: Keine Ahnung. Die Staatsanwälte arbeiten bereits, ich weiß aber nicht, gegen wen ermittelt wird. Optimistisch gesehen rechne ich mit einem Beginn der Verhandlungen Ende 2007, vielleicht auch erst 2008. Der Streit um die internen Regeln hält das Verfahren jetzt natürlich auf.

 

Claudia Fenz (49) ist Ersatzrichterin beim Tribunal zur Ahndung der Verbrechen der Roten Khmer in Kambodscha. Fenz ist derzeit im Rahmen einer EU-Mission als Rechtsberaterin in Palästina tätig.